Bewertungen loslassen, innere Freiheit gewinnen

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Ob eine Reise, einen Einkauf oder ein Buch, alles wird in unserer Gesellschaft bewertet. Das ist inzwischen so normal geworden, dass man sich gar nicht mehr fragt, ob das sinnvoll ist. Ganz anders findet man das im Buddhismus und anderen asiatischen Philosophien: Wenn man Bewertungen loslassen kann, gewinnt man innere Freiheit.

Interpretation wirkt trennend

Alle Sinneseindrücke durchlaufen den Prozess der Beobachtung (die Sonne scheint) und wird interpretiert (es könnte sehr heiß werden). Nun kommt noch eine Bewertung oben drauf, man bewertet wie einem das gefällt (das finde ich schön oder doof). Damit gebe ich der Situation, in diesem Falle dem ganzen Tag, keine Möglichkeit sich anders zu entwickeln. Die Bewertung trennt mich vom eigentlichen Erleben des Moments komplett ab. Das kann ich auf alles im Leben übertragen und komme so zu vorgefertigten Meinungen und
Werturteilen. Natürlich muss ich im Alltag Wertungen vornehmen: Welchen Wert hat ein Kauf? Welche Qualität weist die Arbeitsleistung auf? Die Bewertung von Personen und Situationen in den ersten Sekunden, schneidet mich aber vom Ist-Zustand ab und verhindert Offenheit, Kreativität und Freiheit: „Die höchste Form menschlicher Intelligenz besteht darin, zu beobachten ohne zu bewerten“ (Jiddu Krishnamurti)

Viktor Frankl und das Streben nach Sinnhaftigkeit

Sigmund Freud erklärte die Probleme seiner Patienten in der Psychoanalyse ausschließlich durch sexuelle Aspekten, Alfred Adler interpretierte sie über den Drang zur Macht. Viktor Frankl als Begründer der Logotherapie und der Existenzanalyse („Dritte Wiener Schule der Psychotherapie“) hingegen sah den Antrieb von Menschen nach der Suche nach Sinn im Leben: Jeder versucht zu verstehen, wie das Schicksal funktioniert und einen Sinne darin zu finden.
„Das Gewissen gehört zu den spezifisch menschlichen Phänomenen. Es ließe sich definieren als die intuitive Fähigkeit, den einmaligen und einzigartigen Sinn, der in jeder Situation verborgen ist, aufzuspüren. Mit einem Wort: Das Gewissen ist ein Sinn-Organ.“
Für Viktor Frankl war klar, „dass man dem Menschen im Konzentrationslager alles nehmen kann, nur nicht die letzte menschliche Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen so oder so einzustellen. Und es gab ein ‚So oder So‘!“ (Viktor E. Frankl “… trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager”)

Bewertungen loslassen, innere Freiheit gewinnen

Das „Loslassen“ ist wichtig für ein Leben im Einklang mit den eigenen und den kosmischen schöpferischen Energien. Gelangt man in den Flow, kann man ein wirklich lebendiges Leben führen. Durch Festhalten erstarrt das Leben, denn alles ist vergänglich und im stetigen Wandel und Festhalten hat keinen Sinn. Wenn man nun beginnt, die Bewertungen, die einem andauernd durch den Kopf schießen, wahrzunehmen, erschafft man sich eine Pause zwischen den Gedanken und Bewertungen. Das ist der erste Schritt. Übt man das regelmäßig, wird man immer häufiger in der Lage sein, Abstand zu gewinnen. So nehmen Sie nehmen den Bewertungen ihre Macht. Stattdessen kann man sich verbinden mit dem, was ist. Eine Technik zur Verbindung mit sich und dem Leben stellt Yoga dar. Man geht von der Zweiheit zur Einheit und erkennt, dass wir alle miteinander verbunden sind. Die Identifikation mit dem Ego oder den Dingen um einen herum, tritt in den Hintergrund und ermöglich einen Freiraum, ja sogar die eigentliche Freiheit: Was ist das Positive in diesem Moment?

Annette Bauer

1 Kommentar

  1. Veröffentlicht von Heiko Zaenker am 26. März 2017 um 10:34

    Es gibt noch eine Steigerung zur Bewertung. Das ist die Vorhersage.
    Ich bin nur dann wirklich kompetent, wenn ich Vorhersagen mache. Das Problem ist nur, dass Vorhersagen sich selten erfüllen. Da muss ich dann das Ergebnis interpretieren, um recht zu behalten.
    Habe ich mir mit der Vorhersage schon viele Möglichkeiten versperrt, kettet mich das „Recht behalten müssen“ noch stärker fest und macht mich noch mehr unbeweglich.
    Mit jeder Vorhersage verhindere ich ein Loslassen. Es ist wie eine dieser asiatischen Fesselungstechniken, bei denen ich mit jedem Befreiungsversuch das Seil nur fester zuschnüre.
    Heiko

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