Mit der ayurvedischen Medizin können Patienten flankierend zu anderen Maßnahmen Unterstützung finden. „Die Ayurveda-Apotheke“ von Dr. Vinod Verma und „Ayurvedische Psychologie“ von Jean-Pierre Crittin geben Einblicke in eine uralte und höchst morderne Wissenschaft.
Weise Perspektiven auf Krankheiten
Im Ärtzteblatt wird Ayurveda als Traditionelle Indische Medizin von Christian Keßler und Andreas Michalsen vogestellt. Sie sehen den Grund im anfänglichen Tourismustrend. Der wurde aber dieser Jahrtausende alten Wissenschaft nicht gerecht und deshalb holen sie ihn aus der Wellness-Ecke heraus: „Hingegen ist der Ayurveda ein komplettes Diagnose- und Therapiesystem und verfügt über eine bemerkenswerte Fülle empirischen Heilwissens. Ayurveda ist in Südasien seit über 2000 Jahren Volksmedizin und damit eines der ältesten naturheilkundlichen Systeme der Menschheit.“ Und auch bei uns erfahren Patienten mit chronischen oder stressassoziierten Erkrankungen durch Ayurveda Erleichterung ihrer Beschwerden. Um evidenzbasierte Belege vorlegen zu können, muss jedoch noch viel geforscht werden.
Dr. Vermas Hausapotheke
Heilmittel vorbeugend anzuwenden, gilt in der Traditionelle Indische Medizin als herausragende Möglichkeit. Auch bei uns im Westen setzen immer mehr Menschen auf Prävention: Verhindern, was nicht erst entstehen muss. Oder yogisch betrachtet: Zukünftiges Leid kann vermieden werden. Ayurveda-Ärztin Dr. Vinod Verma stellt in ihrem neuen Buch „Die Ayurveda-Apotheke“ einfache Hausmittel für kleine Beschwerden mit ayurvedischen Kräutern und Gewürzen vor. Wichtig ist es, die Alltags-Beschwerden als Warnsignale zu beachten. Spätere chronischer Krankheiten kündigen sich durch Erkältungskrankheiten, Verdauungsprobleme, Hautkrankheiten, Kopfschmerzen oder Heuschnupfen an. Wenn man jetzt aktiv wird, kann ein Verschleppen verhindert werden. Hilfe naht mit Ayurveda! Allerdings wird der Zwiebel-Honig-Saft als Haarwuchsmittel empfohlen, ich kenne ihn von meiner Oma als Hustensaft! Interessant!
Selbsthilfe mit Küchenkräutern
Tatsächlich verwendet Dr. Verma einfache Küchenkräuter und Gewürze: Sie werden mal eben als Mittel zur Behandlung von kleineren Beschwerden genutzt. Zum Entgiften und Abnehmen kann man beispielsweise etwas Zimt oder Honig in heißem Wasser oder Tee auflösen und zu sich nehmen. Warnung: Nicht zu viel, denn das Gute zielt bekanntlich durch die Mitte! Sie stellt Mittel vor, die bei Erschöpfung und Schlafstörungen, Verdauungsprobleme und Infektionen eingenommen werden können. Es gibt Rezepte zur Linderung von Schmerzen, Frauenleiden und Hautproblemen. Ein Extrakapitel stellt Behandlungen von Kinderkrankheiten bei Babys und Kleinkindern vor. Die Quintessenz ist jedoch, das man sich selbst und seine Leiden beachtet. Und sie zügig behandelt. Sollten sich Erkältungen oder Infektionen häufen, ist es sinnvoll, über die Lebensumstände zu reflektieren. Das alles gesagt, ersetzen Kräuter nicht den Gang zum Arzt oder Therapeuten.
Komm mal klar: Ayurvedische Psychologie
Ein eher ungewöhnlicher Ansatz ist neben den herkömmlichen Ayurveda-Ernährungsbüchern „Ayurvedische Psychologie“ von Jean-Pierre Crittin. Es geht um die Wege zum Selbst über die Brahmanischen Systeme oder Darshanas, den philosophischen Sichtweisen Indiens. Dazu zählen die Veden, Samkhya und Yoga. In diesem Grundlagenbuch geht es also um Psychotherapie mit Hilfe der Spiritualität. Nicht zu verwechseln mit Religion: es geht stattdessen um das Prinzip des Göttlichen, dem unveränderlichen, unverletzlichen Lebenskerns in jedem Menschen. Obwohl jahrtausendealt ist es ein sehr moderner Ansatz, der sich in der Quantentheorie widerspiegelt. Es geht um die Wahrnehmung und das Leben der eigenen Bedürfnissen. das gelingt nur mit einem unüberheblichen Selbstwertgefühl mit sich und im Umgang mit seinem Umfeld.
Glaube an etwas Höheres
Insgesamt zählt Crittin neben dem unverletzlichen, unsterblichen Selbst und Brahman als Urgrund allen Seins noch weitere Prinzipien auf: Dazu gehört die Reinkarntions-Idee (Wiedergeburt) und das Karma-Prinzip (Konsequenz der Handlungen). Er fährt fort, dass eine Realität immer aus der Gesamtzahl der Möglichkeiten zu betrachten ist. Kraftvolle Energie ist unser Grundzustand, der aber blockiert wird. Deshalb ist es wichtig, sich den Bedürfnissen des Selbst zu stellen und sie zu leben. Jedes Wesen hat einen natürlichen Drang nach Wachstum, Heilung und Entwicklung. Und woher kommt der? Die Kraft der Intelligenz steuert das Zusammenspiel im Universum. Überwindet man das Ego, wird es leichter, sich selbst zu leben. Im letzten Kapitel gibt es ein „Übungsprogramm für mehr Lebensfreude, Wohlbefinden und Gesundheit“. Mit klaren Anregungen zur (Selbst-)Reflexion, Meditation, Singen von Mantras und der Wahrnehmungsschulung kommt man sich selbst auf die Schliche. Sehr empfehlenswert für Laien und Psychologen und -therapeuten gleichermaßen.
Ayurvedische Medizin ist eine Synthese
Ayurveda schaut auf die Ursachen, Symptome und Maßnahmen zur Förderung und Erhaltung von Gesundheit und die Behandlungsmöglichkeiten bei Krankheiten. Im Gegensatz zur westlichen Medizin steht aber nicht die Krankheit im Mittelpunkt, sondern das Individuum. Gesundheit geht im Ayurveda über die reine Abwesenheit von Krankheit hinaus: Man soll man selbst bleiben oder „im Selbst verweilen“ können. Ist das der Fall, erfährt der Mensch reine Glückseligkeit. Um da hin zu gelangen, muss man sich in allen Lebensbereichen um inneres Gleichgewicht bemühen. Sowohl Ernährung, Schlaf und Bewegung, als auch Handlungen, Lebensgewohnheiten und Stress nimmt man dabei ins Visier. Allgemeine Anweisungen können sich auf die Ernährung oder jeweilige Jahreszeit beziehen, auf zu geringe oder übermäßige Beanspruchung von Geist, Rede, Körper oder Sinne. Ein Zuviel ist immer verkehrt. Hier kommen die beiden Bücher thematisch zusammen: Geist und Körper finden im ganzheitlich ausgerichteten Gesundheitssystem des Ayurveda zu einer Synthese: Das eine geht nicht ohne das andere.