Wie der Ayurveda in den Westen kam

Ayurveda kam sicherlich in den Westen durch Händlern und Reisenden. Ähnliche Ansätze finden sich schon bei den alten Griechen.
Lesedauer: 4 Minuten

Inhalte

Nein, jetzt kommt kein großartiges Märchen. Trotzdem ist es spannend, wie alt Ayurveda ist und wie er in den Westen kam. Vielleicht wird er gerade wegen seiner universellen Weisheit immer beliebter?

Eine göttliche Schenkung

Warum boomt Ayurveda in Europa, während es in Indien selbst fast verloren gegangen wäre? Die Geschichte dieser jahrtausendealten Heilkunst ist keine verstaubte Museumsgeschichte, sondern eine lebendige Erzählung über Wissen, das die Zeiten überdauert hat – weil Ayurveda einfach funktioniert. Und weil es Legionen von Menschen erprobt und bewiesen haben, dass er funktioniert!

In den Mythen und Legenden schreibt man die Schöpfung des Ayurveda Gott Dhanvantari zu, dem Arzt der Götter und Gott der Heilkundigen. Diese mythologische Zuschreibung zeigt, welch hohen Stellenwert Heilkunde in der vedischen Kultur hatte – sie galt als göttliches Geschenk an die Menschheit. Man schätzt das Alter des ayurvedischen Wissens auf mindestens 5000 Jahre, doch bereits in der Steinzeit um 7000 Jahre vor Christus gab es Belege für Zahnbehandlungen in dieser Region. Die ältesten bekannten schriftlichen Aufzeichnungen sind etwa 3000 Jahre alt und gehören damit zu den frühesten medizinischen Dokumenten der Menschheit.

Ayurveda ist das älteste überlieferte Gesundheitssystem und entstammt der vedischen Zeit. Es stellt ein komplettes System aus Philosophie und Praxis dar, das Krankheiten behandelt, aber auch ein umfassendes Lebenskonzept bietet. Die Philosophie beruht auf der Sankhya und dem Yoga – also auf dem Verständnis der kosmischen Ordnung und der praktischen Anwendung dieses Wissens im Alltag. Das macht Ayurveda so zeitlos und erfolgreich: Es geht nicht um Symptombekämpfung, sondern um das Verständnis grundlegender Lebensprinzipien.

Von den Veden zu den medizinischen Klassikern

In den Hymnen des Rigveda, einem der ältesten religiösen Texte der Menschheit (Veden), wird erstmals die Verwendung von Heilkräutern erwähnt. Dort findet sich auch ein Konzept, das als Hinweis auf die drei Doshas gilt – jene fundamentalen Lebensenergien, die bis heute das Herzstück der ayurvedischen Lehre bilden. Später, im Atharvaveda, finden sich Zauberformeln zur Bekämpfung von Krankheiten mit Amuletten oder Heilpflanzen. Das mag uns heute mystisch erscheinen, aber dahinter steckt ein tiefes Verständnis für die Verbindung zwischen Geist, Körper und Umwelt.

Bereits im 6. Jahrhundert vor Christus hatte man in Indien ein erstaunlich gutes Verständnis der menschlichen Anatomie, der Verdauung und des Blutkreislaufs. In Sri Lanka war Ayurveda so verbreitet, dass dort bereits im Jahre 427 vor Christus die ersten Krankenhäuser entstanden – zu einer Zeit, als in Europa noch ganz andere medizinische Vorstellungen herrschten. Die Menschen damals verstanden bereits, dass Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von Krankheit bedeutet, sondern ein Zustand von körperlichem, geistigem und spirituellem Wohlbefinden.

Die Meisterwerke: Charaka und Sushruta

Eine herausragende Bedeutung für den Ayurveda kommt der Charaka Samhita zu, aus der heute noch gelehrt wird. Sie wurde vom Arzt und Weisen Charaka als umfassendes Lehrbuch verfasst und behandelt alle Aspekte der inneren Medizin. Wenn du dir vorstellst, dass Ärzte vor über 2000 Jahren bereits differenzierte Diagnosen stellten, Pulsdiagnosen durchführten und komplexe Behandlungspläne erstellten, bekommst du eine Ahnung davon, wie fortgeschritten dieses System war.

Die Sushruta Samhita, verfasst von dem Arzt und Chirurgen Sushruta, ist nicht weniger beeindruckend. Sie beschreibt etwa 300 verschiedene Operationen und über hundert Operationsinstrumente. Unter den Operationsverfahren finden sich bereits der Graue-Star-Eingriff, Bruchoperationen, Steinschnitt, Kaiserschnitt und sogar plastische Chirurgie – insbesondere Nasenrekonstruktionen, da in dieser Zeit Nasenabschneiden eine Strafe war. Diese chirurgischen Techniken waren so fortgeschritten, dass sie europäische Chirurgen noch Jahrhunderte später inspirierten, als sie von ihnen erfuhren.

Ayurvedas langer Weg in den Westen

Man vermutet, dass Griechen und Inder in der Antike im regen Austausch standen, da es verblüffende Ähnlichkeiten zur Tridosha-Theorie des Ayurveda auch bei Platon und Hippokrates gab: Pneuma („Luft“ oder Vata), Chole („Galle“ oder Pitta) und Phlegma („Schleim“ oder Kapha). Daraus entstand später die Vier-Säfte-Lehre, die die europäische Medizin über ein Jahrtausend lang prägte. Reisende und Händler auf der Seidenstraße haben zum Austausch zwischen den Kulturen beigetragen und die Philosophie des Ayurveda in den Westen gebracht – oft, ohne dass den Menschen bewusst war, woher dieses Wissen ursprünglich stammte.

Mit dem Untergang der vedischen Kultur und neuen Herrschern in Indien – erst muslimischen Eroberern, dann den britischen Kolonialherren – ging das ayurvedische Wissen fast verloren. Die Kolonialherren bevorzugten westliche Medizin und drängten traditionelle Heilmethoden zurück. Nur in Sri Lanka wurde dieses Wissen bewahrt und bis heute weiter angewendet, weitgehend unbeeinflusst von kolonialen Eingriffen. Inzwischen ist Ayurveda als Rückbesinnung auf ihre Wurzeln in ganz Indien wiederzufinden. Es erlebt eine Renaissance – sowohl in seinem Ursprungsland als auch weltweit.

Ayurveda: Heute aktueller denn je

Vielleicht fragst du dich, warum ein 5000 Jahre altes System heute so beliebt ist. Die Antwort liegt in seiner Ganzheitlichkeit. Während die moderne Medizin oft einzelne Symptome behandelt, schaut Ayurveda auf den ganzen Menschen in seinem Umfeld. Du bist nicht nur ein Körper mit Beschwerden oder eine Krankheit, sondern ein komplexes Wesen mit individueller Konstitution, eingebettet in natürliche Rhythmen und soziale Zusammenhänge. In unserer fragmentierten, beschleunigten Welt sehnen sich viele Menschen genau nach diesem ganzheitlichen Ansatz. Sie wollen nicht nur ihre Symptome loswerden, sondern verstehen, warum sie überhaupt entstanden sind. Sie wollen präventiv gesund bleiben, statt nur auf Krankheiten zu reagieren.

Die Geschichte des Ayurveda zeigt also, dass wahres Wissen zeitlos ist. Was vor 5000 Jahren Menschen geholfen hat, gesund und im Gleichgewicht zu leben, kann das auch heute noch tun – weil sich die grundlegenden Prinzipien des Lebens nicht geändert haben. Wir haben immer noch die gleichen Doshas, die gleichen natürlichen Rhythmen, das gleiche Bedürfnis nach Balance. Ayurveda bietet dir keine schnellen Wunderpillen, sondern ein tiefes Verständnis für dich selbst und praktische Werkzeuge, um im Einklang mit deiner Natur zu leben.

Buche gern für einen Austausch mit mir einen kostenlosen Zoomcall. Jetzt buchen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über mich

Hallo, ich bin Annette

Ich bin Berlinerin und war 25 Jahre als Layouterin und Redak­teurin tätig. In den letzten Jahren im Job war ich kurz vorm Burnout und wurde dann ent­lassen. Auch privat habe ich Schick­sals­schläge erleben müssen.

Dabei hilft mir seit über 30 Jahren unter anderem eine regelmäßige Yoga-Praxis.

Andere Menschen begleite ich als Heil­prakti­kerin mit einer ressour­cenorien­tiert, systemisch oder mit einer Trauma­therapie.

Aktuelles

Annette Bauer Yoga Xperience. Frühlings Retreat 17. bis 19. April 2026.
Yoga-Retreat April 2026

Tanke im Frühjahr neue Kraft mit Yoga. An verschiedenen Orten in Brandenburg yogen wir in kleiner Gruppe eine Wochenende gemeinsam. Dazu gibt es Spaziergänge, Sauna oder Massagen.

Suche

Weitere Beiträge

Roboterkopf, Meditation, Serie KI & Yoga Teil 5 Annette Bauer Yoga Xperience

Herz über Algorithmus – Teil 5

Herz über Algorithmus: Der letzte Teil 5 meiner Serie über "KI & Yoga" beschreibt, wie wir wieder in Verbindung gehen können.
Robopf, Frau Yogahaltung, Serie KI & Yoga Teil 4 Annette Bauer Yoga Xperience neu

Geduld, Dranbleiben & Langsamkeit – Teil 4

Wie die yogische Praxis der Ausdauer und kontinuierliche Übung in Kombination mit Langsamkeit zum radikalen Akt des Widerstands wird.
Roboter, Junge, Serie KI & Yoga Teil 3 Annette Bauer Yoga Xperience

Klarheit & Unterscheidung mit KI – Teil 3

Im Teil 3 meiner Serie zu Yoga & KI geht es um Klarheit & Unterscheidung. Dazu braucht es die Verbundenheit zu anderen Menschen und Geduld.