Pratipaksha Bhavana – der Perspektivwechsel

Lesedauer 5 Minuten

Es ist ein Konzept aus dem Yoga und bietet dir eine Methode, um negative Gedanken und Gefühle ins Gegenteil umzuwandeln.

Stell dein Denken auf den Kopf!

Pratipaksha Bhavana ist ein sehr spannendes Konzept aus dem Yoga Sutra, das ich dir heute vorstellen möchte.

Es ist anders als nur positive Affirmationen: Es ist ein Werkzeug für positive und stärkende Impulse, durch die du mehr Resilienz und Ausgeglichenheit entwickelst. Damit kannst du den Herausforderungen deines Lebens mit etwas Abstand und einem klaren Geist begegnen. Diese Übung ist nicht nur eine Technik für Yogis, du kannst sie nutzen, wenn du frustriert bist oder Angst hast. Es ist ein Prozess, um durch eine andere Perspektive deine Gedanken und Gefühle einmal bewusst umzulenken.

Die Idee von Pratipaksha Bhavana

Die Idee stammt aus dem Yoga Sutra von Patanjali, einem der ältesten und einflussreichsten Texte des Yoga. Im zweiten Kapitel, Vers 33, heißt es:

„Störende Gedanken können durch das Denken an ihr Gegenteil überwunden werden.“

Patanjali beschreibt damit, dass du die Macht hast, destruktive Gedanken zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, indem du an das genaue Gegenteil denkst oder dich in die gegenteilige Überzeugung deines Gegenübers hineinversetzt. Wenn also zum Beispiel Ärger aufkommt, empfiehlt Patañjali, über Liebe und Mitgefühl zu meditieren. Pratipaksha Bhavana ist demnach eine bewusste Praxis, sich von negativen Emotionen und Gedanken zu lösen, um eine stabile und friedvolle innere Haltung zu erreichen. Die Technik hat ihre Wurzeln im Raja Yoga, dem königlichen Weg zu geistiger Kontrolle, der Meditation. Dieser Weg dient der (Selbst-)Erkenntnis (Viveka), und ist das Werkzeug zur Transformation unserer Denkweise.

Negatives Denken verstehen und verändern

Wir alle leben in einer hektischen Welt und sind wir ständig äußeren Einflüssen ausgesetzt, die uns oft negativ beeinflussen. Stress, Unsicherheiten und Sorgen lassen sich kaum vermeiden und können im Gehirn ein Gewohnheitsmuster entwickeln, das zu einem überwiegend negativen Denkschema führt. Dieses Muster kann durch einen Perspektivwechsel aufgebrochen werden.

Ein faszinierender Aspekt der Pratipaksha-Bhavana-Praxis ist, dass sie direkt auf unsere Gehirnstruktur einwirkt – und das ist kein spirituelles Konzept, sondern wissenschaftlich fundiert. Die Neurowissenschaft zeigt, dass unser Gehirn plastisch ist, also die Fähigkeit besitzt, sich kontinuierlich zu verändern und an neue Denk- und Verhaltensmuster anzupassen. Diese sogenannte Neuroplastizität bedeutet, dass sich synaptische Verbindungen je nach Denkmuster stärken oder schwächen können. Indem du regelmäßig positive Gegengedanken einsetzt, unterstützt du dein Gehirn dabei, belastende Gedankenschleifen allmählich durch konstruktive Denkmuster zu ersetzen.

Das passiert nicht über Nacht, sondern braucht regelmäßiges Training. Die kognitive Umstrukturierung, die auch ein Kernelement in der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) ist, folgt diesem Prinzip: Wenn du einen negativen Gedanken durch einen positiven ersetzt, beginnst du, alternative neuronale Netzwerke zu aktivieren und zu stärken. Je öfter du das tust, desto schneller fällt es deinem Gehirn mit der Zeit, den positiven Weg einzuschlagen. Es ist wie beim Erlernen einer neuen Sprache – anfangs ungewohnt, später immer intuitiver.

Stressbewältigung und Angstabbau

Genau dabei ist Pratipaksha Bhavana deine beste Ressource. Chronischer Stress und Ängste gehen oft mit einem hohen Cortisolspiegel einher, einem Stresshormon, das das Immunsystem schwächen, die Schlafqualität beeinträchtigen und sogar das Risiko für Krankheiten wie Bluthochdruck und Herzerkrankungen erhöhen kann. Studien zeigen, dass positive Gedanken, die bewusst und achtsam gedacht werden, das Cortisol im Blut senken können.

So hat beispielsweise eine Studie der Forscherin Barbara Fredrickson an der University of North Carolina gezeigt, dass das bewusste „Umschalten“ auf positive Gedankenmuster kann helfen, den Stresspegel zu senken. Indem du lernst, negative Gedanken loszulassen und durch freundlichere, aufbauende Gedanken zu ersetzen, unterstützt du den Körper dabei, in einen Zustand der Entspannung zurückzukehren: Positive Gedankenmuster senken also das Stressniveau und können das Cortisol im Körper nachhaltig reduzieren und so das Herz-Kreislauf-System entlasten.

Die praktische Anwendung

Die Anwendung im Alltag ist einfach und doch wirkungsvoll. Es beginnt mit Achtsamkeit: Wenn du einen negativen Gedanken bemerkst – zum Beispiel Ärger oder Angst – halte inne und beobachte diesen Gedanken, ohne ihn zu verurteilen. Frage dich, was das positive Gegenteil wäre und wie du es bewusst kultivieren könntest. Wenn du dich zum Beispiel ängstlich fühlst, denke an Momente, in denen du mutig warst. Oder wenn du ärgerlich bist, erinnere dich daran, wann dir jemand bei einem Fehler mit Freundlichkeit und Mitgefühl begegnet ist.

Nimm dir jeden Tag, eine Woche oder einen Monat eine bestimmte positive Eigenschaft vor, und übe zum Beispiel Geduld, Gleichmut oder Wahrhaftigkeit. Diese Praxis kann ein tiefes Verständnis für die eigene Reaktion auf verschiedene Situationen schaffen. Mit der Zeit wird es dir immer leichter gelingen.

Wenn du in einer Krise beispielsweise denkst: „Das schaffe ich nicht“, kannst du durch die Praxis der Pratipaksha Bhavana den Gedankengang bewusst ändern. Indem du den negativen Gedanken durch einen entgegengesetzten positiven Gedanken wie „Ich habe schon viele Herausforderungen gemeistert und werde auch diese bewältigen“ ersetzt, stärkst du deine innere Widerstandskraft. Dieser Prozess ermöglicht es dir, mit einer klareren Sicht und einer positiven Grundhaltung schwierige Situationen anzugehen.

Widerstandskraft entwickeln: Resilienz

Ein wesentlicher Vorteil diese Übung ist die Fähigkeit, damit deine emotionale Resilienz zu stärken. Resilienz bedeutet nicht, dass du nie negative Gefühle erlebst; vielmehr ist es die Fähigkeit, flexibel und stabil mit Herausforderungen umzugehen. In stressigen Situationen neigen wir dazu, in alten, festgefahrenen Denkmustern zu verharren, die unsere Sorgen verstärken. Pratipaksha Bhavana wirkt dem entgegen, indem es uns erlaubt, unsere inneren Reaktionen bewusster zu gestalten und uns auf eine stabilisierende, positive Aspekte einzulassen.

  • Neurowissenschaftlich betrachtet, gibt es Belege dafür, dass widerstandsfähige Menschen eine flexiblere Aktivierung in bestimmten Gehirnregionen zeigen, insbesondere im präfrontalen Kortex, der für die emotionale Regulation verantwortlich ist. Die regelmäßige Anwendung fördert also deine Flexibilität und hilft dir, dich von reaktiven, automatisierten Mustern zu lösen. So wird dein präfrontaler Kortex aktiver und deine Fähigkeit zur Selbstregulation verbessert sich.

  • Eine Studie von Kubzansky et al. (2018), veröffentlicht im Journal of the American College of Cardiology lieferte das Ergebnis, dass Optimismus und positive Gedankenmuster, nicht nur die allgemeine Gesundheit fördern, sondern auch das Risiko für Herzerkrankungen senken können: Ein Umdenken kann Stressreaktion mildern. Das versetzt dich in die Lage, besser mit Herausforderungen umzugehen und sich schneller von Stress zu erholen. Du erlebst auch, dass du in herausfordernden Momenten weniger von negativen Emotionen überwältigt wirst. Wenn dir beim nächsten Mal also eine schwierige Situation begegnet, kannst du auf die Kunst des Pratipaksha Bhavana zurückgreifen!

Resilienz ist eine zentrale Fähigkeit in der modernen Psychologie, die immer stärker erforscht wird – vor allem, weil sie uns hilft, Herausforderungen gelassener zu meistern und sogar daran zu wachsen.

Chancen für Wachstum und Selbstvertrauen

Statt in schwierigen Momenten in negative Gedankenspiralen zu verfallen, wirst du mit der Zeit in der Lage sein, konstruktiv auf Herausforderungen zu blicken. Das hilft dir, nicht nur mit äußeren Stressoren besser umzugehen, sondern auch das Vertrauen in deine eigene Fähigkeit zu stärken, mit Schwierigkeiten auf gesunde Weise umzugehen. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die regelmäßig positive Gedanken üben, auch weniger anfällig für Depressionen und Ängste sind und stattdessen eine stabilere mentale Gesundheit bewahren.

Resiliente Menschen denken also bei Herausforderungen „Das wird mir helfen, zu wachsen und neue Fähigkeiten zu entwickeln.“ Wenn du dir diesen Gedanken zu eigen machen kannst, bleibst du in dem Moment ruhig und fokussierte – genau das, was eigentlich jede*r in stressigen Situation braucht. So entwickelst du nach und nach eine positive Haltung, die es dir ermöglicht, Herausforderungen als Chancen für Wachstum zu betrachten. Du kommst ins Gleichgewicht.

Selbstmitgefühl, Akzeptanz & Nachsicht

Das erklärte Ziel ist bei Pratipaksha Bhavana die Entwicklung von Mitgefühl und Selbstmitgefühl. Indem du bewusst aufbauende und positive Gedanken wählst, entwickelst du eine sanfte, verständnisvolle Haltung und kultivierst einen liebevollen Umgang mit dir selbst, anstatt dich zu kritisieren oder zu verurteilen, wenn Dinge schwierig werden. Auch Selbstfürsorge hat eine Schlüsselrolle in der modernen Psychologie, Psychotherapie und Traumatherapie.

Ein zentraler Aspekt von Pratipaksha Bhavana ist, dass du lernst, dich und deine Gedankenmuster mit Achtsamkeit zu betrachten und dich in Akzeptanz und Nachsicht zu üben. Wenn du in belastenden Situationen dich selbst dabei liebevoll unterstützt, fördert das eine tiefere Selbstannahme. Du gehst nicht mehr so hart mit dir ins Gericht, wenn Schwierigkeiten auftauchen, sondern behandelst dich selbst wie du einen guten Freund. Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die eine hohe Selbstfürsorge praktizieren, weniger gestresst sind und eine bessere psychische Gesundheit haben.

Machst du beispielsweise einen Fehler, sagst du dir: „Ich habe mein Bestes gegeben, und Fehler gehören zum Lernen dazu. Das macht mich nicht weniger wertvoll.“ Dieser liebevolle Ansatz hilft dir, mit dir selbst geduldiger und sanftmütiger zu sein und äußere und innere Konflikte zu verringern.

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Annette Bauer

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