B. K. S. Iyengar beschreibt in seinem Buch „Licht fürs Leben“ neben der grundlegenden Yogaphilosophie des achtgliedrigen Pfades nach Patañjali auch die fünf Koshas.
Fünf Hüllen verhüllen die Seele
Für mich steht in der (Yoga)Philosophie immer an erster Stelle die Frage: Wie kannst du das Zeug in Bezug auf deinen Alltag betrachteten und anwenden? So auch bei den fünf Hüllen oder Schichten, aus denen dein Wesen aufgebaut ist.
Diese fünf Schichten durchdringen und beeinflussen sich gegenseitig. Sie verhüllen deine Seele, deshalb möchte man sie so rein wie möglich halten: Du bestehst nicht nur aus deinem Körper, der Materie, sondern aus Energie, Gefühlen und Geist. Denn wie sonst würde aus einem Haufen Zellen ein belebtes und intelligentes Wesen werden?
Iyengar stellt im zweiten Kapitel eine entscheidende Frage: „Aber findet sich die größte Herausforderung und Erfüllung nicht in einem Leben in der Welt mit all ihren Kümmernissen, Leiden und Versuchungen, bei dem man auch im Alltagsdasein stets die Balance und Selbstbeherrschung bewahrt?“ So ist der Weg nach Innen ist nicht Askese, sondern die große Herausforderung ist es, im Alltag zu funktionieren UND sich selbst zu dabei erkunden.
Keine Angst: Das ist ganz pragmatisch möglich: Stell dir deinen Körper also in fünf Hüllen vor, im Yoga nennt man sie Koshas.
Annamaya Kosha
Die erste Eben ist Annamaya Kosha, was so viel bedeutet wie aus „Nahrung bestehend“ und ist unsere anatomische Hülle, der Körper. Man kann ihn mit Asanas, Reinigungstechniken und gutem Essen pflegen und nähren. Ziel ist es, deinen Körper rein, stabil, sensibel und von Giften freizuhalten.
Dazu kannst du versuchen, in den Asanas den Körper auszudehnen und auszuweiten, um zu größerer Freiheit zu gelangen. In der Ausweitung möchtest du dich dann entspannen und jede Zelle zur Ruhe bringen. Diesen Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung versuchst du auch in den Alltag mitzunehmen. Mit ungeteilter Aufmerksamkeit kannst du den Geist beobachten, die Balance äußert sich durch Leichtigkeit im Denken und Fühlen. Das erreichst du über den Atem und über Pranamaya Kosha, im nächsten Artikel.
Gesundheit yogisch definiert
Gesundheit bedeutet nicht, mir tut nichts weh. Vielmehr beginnt Gesundheit bereits im Geist und beeinflusst die anderen Hüllen mit. Das beeiflusst du im Alltag mit guten Gedanken und einer ethischen Grundhalltung.
Yogisch definiert Iyengar in „Licht fürs Leben“ Gesundheit wie die Koshas in physische, moralische, intellektuelle, mentale Gesundheit und die spirituelle Gesundheit. Also gesundes Bewusstseins, Gesundheit des Gewissens und die göttliche Gesundheit. Je klarer unser Bewusstsein ist, desto besser können wir unseren Zustand überblicken. Das ist sogar für Skeptiker logisch! Trotzdem fangen wir mit der Gesundheit beim gröbsten Kosha, dem Körper, an. Die Kultivierung des Geistes kann nicht mit einem kranken Körper gelingen, wenn die Aufmerksamkeit bei Schmerzen und Leiden hängen bleibt. Schmerz kann mit leichten Asanas erforscht und neugierig beobachten werden, wie er sich verändert. Dann geschieht etwas Magisches: Laut Iyengar „entzündet das Feuer der Yoga-Praxis (Tapas) die Lampe der Intelligenz, und die Selbst-Erkenntnis (Svadhyaya) dämmert herauf“. Das ist geradezu lyrisch!
Die Koshas im Alltag erleben
Ist das Konzept für dich abstrakt und theoretisch? Dann schauen wir jetzt auf die praktische Anwendung im Alltag:
Stell dir vor, du hast schlecht geschlafen und kaum etwas gegessen – dann ist schon mal Annamaya Kosha, deine körperliche Hülle, geschwächt. Dadurch fühlst du dich auch energielos und matt, dein Atem ist flach – das betrifft dann deine Energiehülle, Pranamaya Kosha. Weil du müde bist, kannst du dich nicht konzentrieren, deine Gedanken schweifen ab – das ist Manomaya Kosha, deine mentale Hülle. Du wirst vielleicht gereizter und kannst Situationen nicht mehr klar einschätzen, es können dir Missgeschicke und Unfälle passieren – Vijnanamaya Kosha, deine Weisheitshülle, ist vernebelt. Und am Ende des Tages fühlst du dich irgendwie nicht bei dir, getrennt von dir selbst – Anandamaya Kosha, deine Glückseligkeitshülle, ist verschleiert. Siehst du, wie alles zusammenhängt? Eine Ebene beeinflusst und durchdringt die andere wie ein Gewebe.
Der Weg von außen nach innen
Das Schöne am yogischen Ansatz ist, dass du bei der gröbsten Ebene anfangen kannst – deinem Körper. Du musst nicht gleich meditieren oder philosophische Konzepte verstehen. Du beginnst damit, dich zu bewegen, zu atmen, deinen Körper zu spüren. Wenn du in einer Asana stehst und merkst, wie deine Beine zittern, wie dein Atem schneller wird, wie Gedanken auftauchen wie „Ich schaffe das nicht“ oder „Ich bin nicht gut genug“ – dann arbeitest du bereits mit allen Hüllen gleichzeitig. Du trainierst nicht nur deinen Körper, sondern lernst, deine Energiemuster zu erkennen, deine Gedanken zu beobachten und eine tiefere Einsicht in dich selbst zu gewinnen. Dieser Prozess braucht Zeit, Geduld und vor allem Freundlichkeit mit dir selbst. Es geht nicht darum, perfekt zu werden, sondern darum, dich immer besser kennenzulernen.
Du bist mehr als dein Körper
Die Lehre der fünf Koshas erinnert dich daran, dass du ein vielschichtiges Wesen bist. Du bist nicht nur der Körper, den du im Spiegel siehst, nicht nur die Gedanken, die durch deinen Kopf kreisen, nicht nur deine Gefühle, die kommen und gehen. Hinter all diesen Hüllen liegt etwas Tieferes, Beständigeres – deine Seele, dein wahres Selbst. Indem du alle Ebenen deines Seins pflegst und reinigst, kommst du diesem Kern näher. Das ist keine esoterische Spinnerei, sondern eine zutiefst praktische Lebensphilosophie: Wenn du verstehst, auf welcher Ebene gerade ein Ungleichgewicht herrscht, kannst du gezielt etwas verändern. Körperliche Beschwerden, emotionale Turbulenzen, mentale Erschöpfung – all das sind Botschaften aus verschiedenen Hüllen, die um Aufmerksamkeit bitten.
Kannst du das von der Matte schon in deinen Alltag integrieren? Buche gern für einen Austausch einen kostenlosen Zoomcall mit mir: Jetzt buchen!