Kumbhaka: Atempausen erforschen

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Yogis haben das schon vor tausenden von Jahren erkannt und Pranayama-Techniken entwickelt, um mit dem Atem zu arbeiten. Dabei erkannten sie den Stellenwert der Atempausen (Kumbhaka).

Den Atem erforschen

Man kann den Atem nicht einfach so anhalten, dann beschleunigt sich der Herzschlag und das Nervensystem geht in Alarmbereitschaft. Das wäre genau das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte. Das Ziel von Yoga ist es doch, Ruhe im Geiste und Gelassenheit zu erfahren und dafür können die Atempausen sanft ausgedehnt und verlängert werden. Man geht im Yoga ganz schlau vor: Man erforscht erst mal einige Monate den eigenen Atem. Wie fühlt er sich an, wann ist er flach und wann tief? Das kann man im Alltag immer zwischendurch und genauso in den Asanas im Yoga-Unterricht erforschen. Die Kunst ist es dabei, den Atem nicht zu beeinflussen; wenn ich aber an den Atem denke, verändert er sich bereits. In der Hatha Yoga Pradipika in Kapitel 2, Vers 15 wird erklärt, dass man den Atem vorsichtig und geduldig zähmen soll wie einen Tiger, einen Löwen oder einen Elefanten. Der Tiger steht für zerstörerische, aber auch nährende Kräfte, der Löwe ist der Herrscher der Tiere wie auch der Atem über den Organismus herrscht und der Elefant hat ein langes Gedächtnis. Das lange Gedächtnis hat auch unser Atem, deshalb braucht es Zeit, den Atem neu zu prägen. Deshalb übt man das so lange, damit es einem ganz natürlich wird, auch im Alltag.

Kumbhaka: Atempausen erforschen

Ist der Atem sanft und subtil geworden, kann man mit den Techniken des Pranayama beginnen. Es gibt acht verschiedene Pranayamas laut Hatha Yoga Pradipika: Suryabhedana und Ujjayi, Sitkari und Sitali, Bhastrika, Bhramari, Murccha und Plavini. Die Atemtechniken übt man ausschließlich unter Anleitung eines Lehrers, bis auch dabei der Atem sanft und subtil bleibt. Wozu ist ein Lehrer notwendig? Man kann wie oben beschrieben, den Atem wie einen Tiger, Löwen oder Elefanten entfesseln, wenn man ihn nicht beherrscht schadet man sich selbst mehr als das es nutzt. Ein Lehrer sieht, wenn ein Schüler fehl geht und kann ihm beibringen, den Atem zu “locken wie eine Geliebte”. Dann endlich geht man an die Erforschung von Kumbhaka, der Pausen nach der Ein- bzw. der Ausatmung.

Was erfährt man im Kumbhaka?

Macht man es sanft und vorsichtig, gelangt man mit Kumbhaka in eine tiefe Ruhe. Man erfährt nach der Einatmung eine große Energie und stellt sich beim Atemverhalt nach der Ausatmung seinen Ängsten. Kommt dann der neue Atemzug, ebenfalls sanft und leicht und nicht wie ein Ertrinkender (!), wird man neu geboren. Eine wunderschöne Erfahrung! Hält man den Atem jedoch länger als ein paar Sekunden, kommt die nächste Technik zum Einsatz: Man setzt Bandhas (Siegel, Verschluss), um die Energie richtig zu lenken, anderenfalls schießt die Energie in den Kopf, schafft neue Unruhe. Wer es übertreibt oder es falsch macht, reitet den Tiger nicht, sondern kann sogar in psychotische Zustände kommen. Ja, Pranayama ist nicht nur “mal eben anders atmen”, es sind machtvolle Techniken.

Wozu soll man die Atempausen ausdehnen?

Alle Sinne, und somit auch der Geist und die Gedanken, benötigen Lebensenergie (Prana). Kommt der Geist über den Atem zur Ruhe, spart man Prana. Das kennen Sie bestimmt: Große Unruhe, Anstrengung und kreisende Gedanken können sehr erschöpfen, das geht bis zum Burnout. Die Hatha Yoga Pradipika in Kapitel 2, Vers 40 gibt einen Hinweis:
“Solange man den Atem anhält, solange der Geist ruhig-fest ist, solange man die Stirn-Mitte schaut, wo gibt es da noch Todesfurcht?“ (Übersetzung Hartmut Weiss)
Das ist eine spannende Idee: Beherrscht man den Atem, ist man Meisterin über die eigene Energie. Also geizen Sie mit Ihrem Atem! Mit den Pranayama-Techniken versucht man auf die Energie einzuwirken, ist man fortgeschritten auf dem Yoga-Weg, kommen die Atempausen zu fast allen Pranayamas dazu, um die Freiheit zu erkunden. Frei von Angst durch Atemtechniken, durch Kumbhaka.

Annette Bauer

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