Was für´n Yoga machst ´n du? Yogastile im Vergleich

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In welchem Stil unterrichtest du Yoga? Diese Frage ist immer wieder interessant und nicht so einfach zu beantworten. Deshalb tauche ich dazu in die Gemeinsamkeiten und Unterschiede ein: Yogastile im Vergleich.

Was sind bekanntesten Yogastile?

Was für´n Yoga machst ´n du? Um die Yogastile zu vergleichen, schauen wir uns verschiedene Yogatraditionen, Yogaschulen und Yogawege an. Viele sind aus Indien, aber neuere kommen aus den USA und anderen westlichen Ländern. Davon sind die meisten Yogastile grob unter Hatha-Yoga einzuordnen, wenn sie das Körperliche betonen. Für den ersten Überblick beschreibe ich kurz die klassischen Yogawege und dann stelle ich dir die bekanntesten Yogastile vor. Das ist vor allem dann interessant für dich, wenn du glaubst, Yoga wäre nichts für dich. Das liegt nämlich nicht unbedingt am Stil, sondern auch am Lehrer. Also gib nicht vorschnell auf, denn:

“JEDE*R kann Yoga üben, die*der atmen kann.”

(frei nach T.K.S. Krishnamacharya)

Was ich hier schreibe, entstammt eigenen Erfahrung und dem Austausch mit Yogalehrenden der verschiedenen Stile. Wenn du das anders erfahren hast, hinterlass gern einen Kommentar dazu. Im Austausch lernen wir alle von einander!

Die klassischen Yogawege

Das ganze Kuddelmuddel entsteht, weil in Unterhaltungen oft Arten, Stile und Wege gleichermaßen verwendet werden. Unter Yogastile versteht man die verschiedenen Hatha Yoga Arten. Yogawege oder -pfade meinen Übungssysteme, die mit verschiedenen Ansätzen zur Erkenntnis führen sollen. Man kann alle diese Wege beschreiten, denn alle führen zum gleichen Ziel. Welchen du wählst, ob Meditation oder körperlichen Yoga, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Die klassischen Yoga Wege sind bis zu mehrere Tausend Jahre alt, die meisten Yogastile sind oft erst in den letzten 100 Jahren entstanden.

In den klassischen indischen Schriften werden nur vier Yogawege beschrieben: Jnana Yoga, Raja Yoga, Bhakti Yoga und Karma Yoga. Hatha Yoga entwickelte sich etwa vor 700 Jahren ungefähr zeitgleich mit Tantra und daraus auch Kundalini Yoga. Als Grundlage dient für beide Richtungen die Schrift “Hatha Yoga Pradipika“.

Zu den klassischen Yogawegen nehme ich also die beiden dazu:

  1. Jnana Yoga: Yoga der Erkenntnis
  2. Raja Yoga: Yoga der Meditation
  3. Bhakti Yoga: Yoga der Hingabe
  4. Karma Yoga: Yoga des Dienens
  5. Hatha Yoga: Körperlicher Yoga
  6. Kundalini Yoga: beinhaltet zusätzlich neben Hatha Yoga, Mantras, Klangyoga und mehr.

Alle diese Wege können und werden oft miteinander kombiniert: Auch die Hathayogis und die Bhaktis singen, stellen Yantras her oder sehen Yoga als Dienst an der Gemeinschaft. Alle meditieren, reflektieren und üben sich in Hingabe usw.

Was für´n Yoga machst ´n du? Yogastile im Vergleich

Wir halten fest: Aus Hatha Yoga haben sich weitere Yogastile, Traditionen oder Schulen entwickelt. Durch eine weitere Schrift, dem Yoga Sutra, ist ein Rahmen für die Vorgehensweise für das Erlernen gesteckt: Allen diesen Stilen sind Körperübungen, Atemübungen und Meditation und eine ethische Grundhaltung (Yamas & Niyamas) gemein. Alles mit dem Ziel, den Geist zur Ruhe zu bringen (Yoga Sutra). Diese Yogastile und ihre Schwerpunkte stelle ich vor:

Hatha Yoga

Hatha Yoga steht für „hatha“ = „kraftvoll“ oder „bewusst“ oder “Ha” für die Sonne, Wärme, das männliche Prinzip und “Tha” für den Mond, Kühle, das weibliche Prinzip. Er umfasst Asanas, Atemübungen (Pranayama), Konzentrations- und Entspannungstechniken und Meditation. Alle diese Übungen setzen am Körper an, um dann über die Atmung den Geist zu erreichen. Hatha Yoga eignet sich für Anfänger und wird oft durch Krankenkassen bezuschusst: Er dient aus deren Sicht vor allem der Entspannung, weil genügend westliche Studien die Wirkung belegen.

Kundalini Yoga

Kundalini Yoga gibt es auch schon seit hunderten von Jahren, aber erst Yogi Bhajan machte ihn in den 60er-Jahre in den USA bekannt. Weil er sich eher am Rande der Gesellschaft entwickelt und auch Frauen miteinbezog, wurde er wie Tantra auch eher im Geheimen praktiziert. Das verleiht ihm etwas Sektenhaftes. Viele tragen weiße Kleidung, die Männer oft Turbane. Es ist ein klarer Weg und die spirituellen Aspekte werden stark betont. Wer es mag, wird hier einen klaren Weg und eine Gemeinschaft finden. Die Übungsreihen sind dynamischer als im Hatha Yoga, es geht um gezielte Atemtechniken und der geistigen Ausrichtung über Mantras und Meditation. Die Idee dahinter ist, die Kundalini oder Shakti-Energie zu aktivieren, um zu höherer Erkenntnis und Erleuchtung zu gelangen. Kundalini Yoga kümmerte sich schon viel früher als andere Yogawege um Frauengesundheit und Mutterschaft.

Ashtanga Yoga

Ashtanga Yoga wurde von Pattabhi Jois gelehrt. Es ist eine sehr kraftvolle, dynamische Yoga Richtung und besteht aus festgelegten Reihenfolgen. Die Bewegungsabläufe oder Serien werden mit einem gleichmäßigen Atem begleitet, wodurch das Üben sehr meditativen wirkt. Wer sich auspowern möchte, kann hier glücklich werden! Voraussetzung: Gute Kondition, Kraft und Ausdauer beim Übungen, um wirklich tief einzutauchen. Eher etwas für Jüngere, aber achtsam erlernt und geübt, kann Ashtanga auch bis ins Hohe Alter praktizieren werden. Die Serien werden so gelehrt, dass sie selbstständig geübt werden können.

Iyengar Yoga

In diesem Stil wird auch sehr kraftvoll geübt, allerdings durch längeres Verweilen und präzise Ausrichtung in den Haltungen (Asanas). Dazu nutzt Iyengar Yoga Hilfsmitteln, sogenannte Props wie Holzblöcke, Keile, Decken, Gurte oder besondere Klappstühle. Das hat manchmal was von Bondage, hat aber durch die Präzision eine ganz besondere Wirkung. Die teilweise sehr komplexen Haltungen sind genau deshalb auch für Teilnehmende mit körperlichen Einschränkungen geeignet. Die Spiritualität tritt dabei in den Hintergrund. Geeignet für Fortgeschrittene und Anfänger, die sich auf die präzise Anleitungen und Korrekturen einlassen möchten.

Vinyasa Flow

Unter Vinyasa Yoga steht ebenfalls der körperliche Aspekt im Vordergrund. Darunter sammeln sich Stile wie Power Yoga und Jivamukti Yoga. Sie sind dynamisch und kraftvoll und eignen sich für Menschen, die über das Auspowern besser in die Entspannung kommen. Spiritualität tritt auch hier in den Hintergrund. Ich persönlich fand auch darüber den Einstieg in den Yoga bis ich beobachten konnte, wie auch mein Geist zur Ruhe kam. Seitdem ist meine (eigene)  Übungspraxis wesentlich spiritueller geworden. Ich verstehe aber, dass viele Menschen diese Hürde erst für sich nehmen wollen, ohne dass ich sie dazu im Unterricht dränge.

Der Begriff „Vinyasa” ist in den Yogastilen doppelt besetzt. Es bedeutet im Sanskrit:

  • „vi“ „auf eine bestimmte Art“
  • „Nyasa“ „legen, setzen, stellen“ bedeutet

Gemeint ist der Übergang von einer Haltung in die nächste, steht also auch für Abfolge wie beispielsweise eine Serie im Ashtanga Yoga. Das andere ist eben der Yogastil, bei dem die Bewegungen atemsynchron und meist mit der Ujjayi-Atmung ausgeführt werden. Man nennt ihn auch Vinyasa Flow, weil es ein besonders fließender Übungsstil ist. Man kann wunderbar abschalten und kommt auch so in eine Bewegungsmeditation – ohne, dass es den Teilnehmenden bewusst gemacht werden muss.

Jivamukti Yoga

Dieser Stil wurde 1984 von Sharon Gannon und David Life aus dem Ashtanga Yoga entwickelt. In den Stunden wird fließend mit teilweise lauter Musik geübt und der Lehrer gibt durchaus körperliche, korrigierende Impulse – nicht für jeden, denn das sollte man abkönnen. Die Stunden empfand ich als anspruchsvoll und durch die komplette Erschöpfung waren sie sehr entspannend. Vielleicht brauchen wir Westler das so oder wir haben Yoga nicht verstanden? Anders als im Power Yoga wird die Yoga Philosophie in den Unterricht integriert. Am Ende chantet man gemeinsam Mantras und meditiert. Jivamukti Yoga betont besonders einen gewaltfreien und veganen Lebensstil. Die Gemeinschaft hat auch in diesem Yogastil eine tragende Bedeutung.

Sivananda Yoga

Die Übungsabfolge des Sivananda Yoga umfasst zwölf Asanas der Rishikesh-Reihe: Ein Sonnengruß, der immer in der gleichen Reihenfolge ausgeführt wird. Durch die Verbindung über den Atem und die gleichmäßigen Bewegungen kommt der Geist gut zur Ruhe. Mantras und Gebete gehören dazu, wie eine Einstimmung zu Beginn der Stunde. Meine erste Yogastunde war in diesem Stil. Was ich nicht mochte, war der Kopfstand, der scheinbar in jede Stunde gehört – darauf war mein Nacken nicht vorbereitet. Der Vorteil ist eine relativ gleichbleibende Übungspraxis, so dass sich die*der Übende auf die spirituellen Aspekte einlassen kann.

Power Yoga

Der Name Power Yoga sagt gleich worum es geht: kraftvolles, stärkendes und energetisierendes Yoga. In einem intensiven und durchaus langsamen Vinyasa Flow finden sich die Haltungen der ersten Ashtanga-Yoga-Serie wieder. Die Atmung synchronisiert die Abfolge. Fand ich früher spitze! US-Amerikaner Brian Kest hat den Stil kreiert und von Spiritualität fast völlig befreit. Das fand ich dann irgendwann zu un-yogisch. Aber genau das bietet eben auch solchen Menschen einen Zugang zum Yoga, die wegen des ganzen Spiri-Gedöns es nie ausprobieren wollten! Für Menschen die Workout lieben und sagen wollen, sie würden auch “Yoga machen”.

Anusara Yoga

Ein präziser und energetisierender Yogastil. John Friend entwickelt Anusara Yoga in den USA aus Iyengar und Tantra Yoga. Seine Besonderheit liegt in der sehr positiven Sicht auf die Welt, alle Menschen und Dingen: Die Aspekte der Freude, Schönheit und Dankbarkeit dienen den vielen Übungen und Meditationen zur Herzöffnung. Anusara Yoga habe ich als zweite Ausbildung gemacht und liebe die Stunden sehr. Sie sind für meinen Geschmack ausgewogener als Power Yoga und Jivamukti Yoga. Für Anfänger mit gutem Körpergefühl und Fortgeschrittene geeignet.

Yin Yoga

Paul Grilley experimentierte mit einem daoistischen Ansatz aus dem “Daoist Yoga” von Kampfsportler Paulie Zink. Über weitere Studien zur Anatomie und Kinesiologie entstand eine sanfte Form die er Yin Yoga nannte. Er erkannte, dass der Körper sich in lange gehaltenen Stellungen, auf andere Weise entspannen kann als im aktiven Yang Yogastil. Unter Yang Yoga fasst er alle fordernden Yogastile zusammen. Die Asanas werden meistens zwei bis fünf Minuten gehalten und die Muskeln können sich dadurch tiefer entspannen. Yin Yoga dehnt die Faszien ist aber nicht das gleiche wie Faszien Yoga. Beim Yin Yoga kommt es nicht auf eine exakte Ausführung wie beim Iyengar Yoga an, sondern darauf, dass die Stellung ohne Anstrengung gehalten werden kann. Für jeden geeignet – unbedingt ausprobieren!

Faszien Yoga

Dieser Yogastil erweitert die Yogahaltungen mit federnden, schwingenden und wippende Bewegungen und verbindet sie mit Hilfsmittel wie den Faszienball oder verschiedene Faszienrollen. Dabei geht es darum, dem fasziale Gewebe oder Bindegewebe möglichst vielfältige Impulse anzubieten. Das stimuliert die bessere Durchfeuchtung des Gewebes, macht es geschmeidiger. Faszien Yoga ist leicht zu erlernen und eine wunderbare Abwechslung. Für die Verbesserung der Strukturen sollte man es regelmäßig praktizieren. Ebenfalls für Anfänger geeignet und je nach Yogalehrer*in mehr oder weniger spirituell.

Und was für´n Yoga unterrichte ich denn nun?

Ich habe eine klassische Hatha Yoga Ausbildung vier Jahre nach Krishnamacharya, Desikachar und Sriram durchlaufen. Mein Lehrer, Alexander Peters von Sonne & Mond, wurde auch in der Tradition von Gitananda ausgebildet. Das floss unter anderem auch in unsere Ausbildung ein. Ich bin über den Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (BDY) zertifiziert und darf auch krankenkassen-bezuschusste Yogakurse anbieten.

Als Yogalehrerin werde ich aber nie fertig werden: Danach habe ich Hormonyoga und Anusara Yoga gelernt und als Ausbildungen abgeschlossen. Es kamen Fortbildungen in Ayurveda, Yogatherapie, Traumasensiblen Yoga und Forrest Yoga dazu. nUnd auch die Yoga Philosophie habe ich drei Jahre lange bei Sriram und Anna Trökes vertiefen dürfen.

Dieses Jahr habe ich an Ausbildungen in Yin Yoga und Faszienyoga teilgenommen.

Was für einen Yogastil unterrichte ich also? Diese Frage ist also nicht so einfach zu beantworten – oder ganz leicht: Hatha Yoga im Stil von Annette. Grins! Aber die eigentliche Frage ist: Wie ist dein Yogastil? Was brauchst du? Und am Ende zählt für mich, wie ich mit meinem Wissen und Können auf deine Bedürfnisse eingehen und dich auf dem Weg der Erkenntnis begleiten kann.

Wie findest du deinen Yogastil?

Eigentlich musst du dazu nur eins wissen: Das, was dich fordert, ist gut für dich. Nochmal: Nicht das, was du gut kannst, dient dir, sondern das, was dich fordert! Dann wird aus einer Gymnastik Yoga. Wenn du gern meditierst, komm mal auf die Matte und bring die Meditation in die Bewegung mit ein. Wenn du gern sehr sportliches Yoga übst, komm zur Ruhe. Lass mich raten: Das magst du nicht so gern? Biete deinem Gehirn und deinem Körper etwas Neues an, übe neue Fähigkeiten. Dazu dient dir jeder Impulse, indem du das übst, was du noch nicht so gut kannst. Im Ungewohnten liegt dein inneres Wachstum! Tschakka! Und dann findet der Schüler den Lehrer.

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Annette Bauer

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